Wesentlich breiter als die für das Genre eher unbedeutenden 50er waren die 1960er Jahre gefächert. Klassische Gruselfilme wie Bis das Blut gefriert (The Haunting, 1963), der sich um ein Spukhaus dreht, oder der stimmungsvoll inszenierte (damals aber gänzlich unbekannt gebliebene) Low-Budget-Film Tanz der toten Seelen (Carnival of Souls, 1962) zeigten das Genre vor allem von seiner im ersten Fall zwar recht klassischen, beide Male aber außerordentlich cineastischen Seite.
Das Bild des Mainstream-Horrorfilms der 60er war zudem von den britischen Hammer-Filmen geprägt, die bereits seit den 50ern einige stimmungsvolle, atmosphärisch inszenierte „Gothic-Horror“-Streifen produzierten, so etwa den Zombiefilm Nächte des Grauens (The Plague of the Zombies, 1966). Oft spielten Christopher Lee und/oder Peter Cushing die Hauptrollen in den bis in die 70er Jahre hinein produzierten Hammer-Filmen, die später zunehmend in Klamauk ausarteten (Dracula jagt Minimädchen, 1972). Roman Polański parodierte die meist recht klassischen Sujets dieser Mainstream-Filme mit seiner 1967 gedrehten Horrorkomödie Tanz der Vampire. Roger Corman brachte einen Zyklus von Edgar-Allan-Poe-Verfilmungen in die Kinos (zum Beispiel Der Rabe – Duell der Zauberer, 1963), im Zuge derer sich Vincent Price als einer der weiteren Stars des Genres etablieren konnte.
Auf der anderen Seite brachten die 60er Jahre aber auch einige bedeutende Erneuerungen des Genres. Alfred Hitchcock drehte in den 60ern gleich zwei Filme, die – obgleich sie als untypische Vertreter des Horrorfilms angesehen werden müssen – zugleich als zwei seiner Meisterwerke gelten können: Die psychologisch dichte, düstere Charakterstudie um den schizophrenen Serienmörder Norman Bates mit dem Titel Psycho, sowie der mit zahlreichen Schockeffekten aufwartende, äußerst wirkungsvoll inszenierte Klassiker Die Vögel von 1963.
Der vielleicht wichtigste Meilenstein des Horrorfilms der 60er Jahre war jedoch Die Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead, 1968) des damals noch gänzlich unbekannten Regisseurs George A. Romero, der das Genre des Zombiefilms zwar nicht erfand, jedoch entscheidend veränderte: Zombies waren nicht mehr willenlose, durch schwarze Magie erweckte Voodoo-Geschöpfe, sondern eigenständig agierende Untote, die sich von Menschenfleisch ernähren und die Zivilisation als Ganzes bedrohten. So kam der Antagonist nicht mehr aus einer anderen Zeit oder einer anderen Welt, sondern war in der normalen Lebenswelt situiert, die er jedoch fundamental ins Wanken brachte. Die Grenzen zwischen den Bösen und den vermeintlichen Helden verschwammen; Happy Ends sind seit den Filmen der 60er immer seltener anzutreffen. Häufig ist die Bedrohung derart übermächtig, dass den Protagonisten nur die Wahl zwischen Flucht und Tod bleibt.
Das Maß der gezeigten Brutalität erreichte in den 60er Jahren, insbesondere bei Romero, einen Höhepunkt: Ausführlich zeigte Romero seine Zombies, wie sie sich rohes menschliches Fleisch in den Mund stopfen. Aber bereits der 1963 erschienene, heute als Kultfilm geltende Blood Feast von Herschell Gordon Lewis (viereinhalb Tage Drehzeit, 24.000 Dollar)[2] deutete früh die zunehmende Brutalität an, die dann vor allem in den späten 70er sowie vor allem in den 80er Jahren zum Hauptmerkmal des Horrorfilms werden sollte. Damit ist der Film paradigmatisch und durch die spätere Konventionalisierung Ausnahme – mit nicht narrativ motivierten „Zeigemomenten“, die gleichwohl „funktional auf die Rezeption ausgerichtet“ sind.[3] Dem Schock des „Autors“ innerlich zuvorzukommen gerät dem „Leser“ zum Mittelpunkt.
Diese Entwicklung des amerikanischen Horrorfilms in Richtung Gewaltdarstellung wurde im von Mario Bava begründeten italienischen Horrorfilm bereits vorweggenommen. Es war vor allem „Bavas Bereitschaft, in der Darstellung von Sexualität und Gewalt effektbetont zu Werke zu gehen“, die nicht nur zahlreiche Nachahmer im eigenen Land, sondern auch im internationalem Horrorfilm fand. Bava setzte den Grundstein seiner Popularität mit dem Überraschungserfolg Die Stunde, wenn Dracula kommt (1960) mit Barbara Steele, die später einer der wenigen weiblichen Stars des Genres wurde. Obwohl der Film in der Tradition des „Gothic-Horror“ als Kostümfilm über Wiederauferstandene gedreht wurde, erzeugte er durch seine Inszeneriung „ein für die damaligen Verhaltnisse ungewöhnlich intensives Klima der Verunsicherung und Bedrohung“. Mit stilbildenden Filmen wie Blutige Seide (1964), in denen er Kriminalgeschichten mit intensiver Gewaltdarstellung, freizügiger Sexualität und einer stark ästhetisierten Inszenierung verband, begründete Bava nicht nur ein eigenes italienisches Horrorsubgenre, den Giallo, sondern setzte auch einen Grundstein für die erfolgreichen amerikanischen Slasher-Filme der 70er und 80er Jahre.
Bei Tobe Hooper oder Wes Craven wähnte der Zuschauer sich im Kinosaal nicht wie bei Hitchcock von einem Meister mit angenehmer Angst geführt, als vielmehr in der Hand eines „unzurechnungsfähigen Mitteilenden“ (Vonderau).